Die Rosenfeld-Mühle

Die Rosenfeld-Mühle in Neusiedl am See

Eine jüdische Familiengeschichte

Text der Gedenktafel anhören. Sprecherin: Clarissa Stadler


Text der Webseite anhören. Sprecherin: Clarissa Stadler


Von 1926 - 1938 betrieb Jakob Rosenfeld gemeinsam mit seinem Schwiegervater Alexander Löffler in Neusiedl am See eine Getreidemühle. Das dazugehörige Wohnhaus ließ Jakob Rosenfeld 1936 nach den Entwürfen seines Neffen, dem Soproner Architekten Aladar Somlai, errichten.

Die „Neusiedl Kunstmühle Rosenfeld & Co“ war technologisch auf dem neuesten Stand. Zu den Kunden zählten auch die so genannte „Großeinkaufsgesellschaft für Österreichische Consumvereine“ (GöC) und das berühmte Hotel Sacher in Wien.

Nach einer Anekdote, pflegte Jakobs Frau Rosa Rosenfeld, die auch in der Mühle tätig war zu sagen: „Die Frau Sacher hat nur unser Mehl gekauft, weil sie damit den Strudelteig bis zum Stephansdom ziehen konnte, ohne dass er gerissen ist.“

Jakob Rosenfeld war auch als Wohltäter bekannt: So hat er zum Beispiel die private katholische Volksschule in Neusiedl am See die „Kongregation der Schwestern vom Göttlichen Erlöser“ finanziell unterstützt. Auch seine einzige Tochter Eva hat diese Schule besucht.

1938 wurden die Familien Rosenfeld und Löffler von den Nationalsozialisten aus Neusiedl am See vertrieben. Sie flohen zunächst nach Wien und Ende Dezember 1938 zu Verwandten nach Sopron. Die Familien wurden enteignet und die Mühle „arisiert“ (1).

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn 1944 wurden alle fünf Familienmitglieder nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Alexander Löffler und seine Frau Julie wurden sofort nach der Ankunft ermordet. Jakob Rosenfeld wurde nach Dachau-Kaufering transportiert, wo er 1945 – nur sechs Wochen vor der Befreiung des Konzentrationslagers starb. Seine Frau Rosa und Tochter Eva wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland in das Arbeitslager Münchmühle bei Allendorf verschleppt, ein Nebenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Der Architekt Aladar Somlai wurde in ein Zwangsarbeitsbataillon der ungarischen Armee eingezogen und gilt seit 1944 als vermisst.

Das Haus der Rosenfelds diente von 1945 bis 1947 als Sitz der sowjetischen Kommandantur.

Rosa Rosenfeld kam nach ihrer Befreiung aus dem Arbeitslager nach Österreich zurück und ließ sich in Wien nieder, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. Haus und Mühle in Neusiedl wurden ihr schließlich nach einem zehnjährigen Rechtsstreit im Jahr 1956 restituiert. Sie verkaufte die Liegenschaft an die Burgenländische Landwirtschaftskammer. 2004 starb Rosa Rosenfeld im hohen Alter von 103 Jahren.

Ihre Tochter, Eva Rosenfeld zog nach dem Krieg zu ihrem Onkel nach New York. Wilhelm Schneider war bis 1938 Bürgermeister der „selbständigen jüdischen Gemeinde Eisenstadt – Unterberg“ gewesen.

In New York heiratete sie 1956 den Engländer Wilfred Dutton, der für einen internationalen Ölkonzern tätig war. Das Paar bekam drei Kinder: Peter, Jacqueline und John. Nachdem die Familie viele Jahre in New York, Venezuela und England gelebt hatte, zog Eva nach dem Tod ihres Mannes, im Jahr 2005 nach Wien. Ein Jahr zuvor war ihre Mutter in Wien verstorben

Die mittlerweile hochbetagte Eva Dutton-Rosenfeld zählt zu den letzten Überlebenden der Shoa.


Literatur:
(1) Michael Hess: "Der Betrieb ist als erhaltungswürdiges Unternehmen zu entjuden" - die Arisierung der Rosenfeld-Mühle in Neusiedl am See – Burgenländische Heimatblätter – 73 (2011): 196 - 226. Artikel als PDF-download


Videointerview mit Eva Dutton, geb. Rosenfeld


Straßenansicht des Hauses, Bauplan 1936, Verein Neusiedler Stadtarchiv.

Ansicht der Unteren Hauptstraße, 1937, Verein Neusiedler Stadtarchiv.

Lkw der Rosenfeld-Mühle, Verein Neusiedler Stadtarchiv.

Links: Eva Dutton, geb. Rosenfeld ca. 1937. Rechts: die Ansicht 2023.

Jakob Rosenfeld, Anfang 1930er Jahre. Atelier Rosa, Wien II.

Eva Dutton (in der Mitte) mit den Großeltern (links von ihr) in Bad Hofgastein, 1935.

Die Familien Rosenfeld und Schneider (stehend li. Rosa und Jakob Rosenfeld, stehend re. Elisabeth und Wilhelm Schneider), 1930er Jahre.

Jakob und Rosa Rosenfeld beim Kunsthistorischen Museum in Wien, 1925.